Mittwoch, 27. Mai 2015

Winter der Toten

Die Furcht vor der Gefahr
Eine meiner meistgelesenen Rezensionen (hier) habe ich vor Rund 2 Jahren mit dem Zitat „Die Furcht vor der Gefahr ist schrecklicher, als die Gefahr selbst.“ von Daniel Defoe begonnen. Viel treffender lässt sich auch „Winter der Toten“ (Jonathan Gilmour und Isaac Vega  / Heidelberger Spieleverlag) nicht beschreiben. Denn anders als sonstige aktuelle Zombiespiele, geht es in „Winter der Toten“ weniger um das Niedermähen unendlicher Zombiehorden (wie etwa bei Zombicide hier und Zombie 15' hier). Vielmehr steht der tägliche Kampf ums Überleben im Vordergrund. Reisen, Kämpfen, Hunger… ja sogar zu viel Müll kann das Ende für die kleine Gruppe überlebender darstellen. Und obendrein muss man sich auch stets der Gefahr eines Verräters in den eigenen Reihen bewusst sein.



 
Gemeinsam einsam
Ein eisiger Winter, wandelnde Tote und stets knappe Nahrungsmittel und Medikamente. Die Zombieapokalypse ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Um hier überhaupt den Hauch einer Chance zu haben, übernehmen die Spieler nicht die Rolle einzelner Charaktere sondern gleich eines ganzen Teams. Welchen Herausforderungen sich unsere wackeren Recken dabei stellen müssen, bestimmen wir vorab anhand der gewählten Szenariokarte. Die Spanne reicht dabei vom schlichten Sammeln von Nahrung bis hin zum Verteidigen des Unterschlupfes gegen dutzende Zombies. Obendrein hat jede Spielergruppe auch noch spezielle Wünsche, die geheim zugeteilt werden. So will ein Team etwa möglichst viele Mitglieder haben, ein anderes bunkert Medikamente. Allen gemein ist, dass sie sowohl das Szenario- als auch ihr eigenes Ziel erreichen müssen um zu gewinnen. Naja, fast Allen. Denn unter den persönlichen Auftragskarten kann sich auch ein Verräter verstecken. Dieser hat ebenfalls ein persönliches Ziel, muss aber zusätzlich die Gruppenmission scheitern lassen um zu gewinnen. 


Unendliche Möglichkeiten…
Wie genau können wir uns nun aber für (oder gegen) unsere Kolonie einsetzen?  Dafür stehen uns jede Runde Würfel zur Verfügung, die von der Zahl unserer Gruppenmitglieder abhängen. Während einige Aktionen (etwa das Bewegen zwischen 2 Standorten oder das Ausspielen von Handkarten) kostenlos durchgeführt werden können, müssen für die wirklich spannenden Optionen Würfel mit passenden Ergebnissen herhalten. Damit können etwa Barrikaden errichtet, Zombies bekämpft oder Standorte durchsucht werden. Gerade letztgenanntes ist häufig der Schlüssel zum Erfolg, lassen sich auf diesem Wege doch zusätzliche Gruppenmitglieder, Waffen oder andere nützliche Dinge finden. Neben der Kolonie warten 6 Standorte auf neugierige Abenteurer. Dass dabei an der Tankstelle insbesondere Benzin, im Krankenhaus dagegen Medikamente warten, dürfte nicht überraschen.

…endlose Gefahren…
Leider gibt es bei Winter der Toten nichts geschenkt. Fast jede Aktion ist mit einem enormen Risiko für Leib und Leben verbunden. So muss etwa nach jeder Bewegung und nach jedem Kampf ein Würfel geworfen werden. Kleinere Verwundungen sind dabei ebenso Möglich wie Erfrierungen oder ein Zombie-Biss. Während erstere noch behandelt werden können, führt letztgenannter zum sofortigen Tod des Gruppenmitglieds und möglicherweise sogar zur Ausbreitung der Seuche am aktuellen Strandort. Die Sterblichkeit der Charaktere ist in Winter der Toten damit enorm hoch.
Wer jetzt mit dem Gedanken spielt sich einfach in der Kolonie zu verbuddeln, der muss leider enttäuscht werden. Selbst schnödes Nichtstun kann in Winter der Toten gefährlich werden. Denn zu Beginn jeder Spieleraktion wird (für den aktiven Spieler geheim) eine Schicksalskarte gezogen. Diese wird dann aktiviert, wenn eine bestimmte Bedingung erfüllt wird. Dies kann etwa eine Reise sein, das Vorhandensein eines bestimmten Charakters oder auch schlicht die Anwesenheit in der Kolonie. Zumeist muss man sich an dieser Stelle für eine von zwei negativen Auswirkungen entscheiden, ab und an kommen aber sogar positive Effekte vor.


… und noch mehr Gefahren.
Schicksalskarten, Kampfwürfel, Verräter… eigentlich sollte man meinen es könnte nicht mehr viel schlimmer kommen. Tja, weit gefehlt. Denn sobald alle Spieler ihre Aktionen beendet haben, kommt es noch mal richtig dick. Denn nun wird eine zu Rundenbeginn aufgedeckte Krisenkarte ausgewertet. Diese stellt uns jede Runde vor eine neue Herausforderung und bedingt das verdeckte Ablegen bestimmter Kartentypen (etwa Benzin oder Nahrung). Konnten wir in einer Runde nicht genug sammeln, werden wir üblicherweise mit einem Abzug der stets knappen Moral und weiteren Unannehmlichkeiten bestraft.  Eine perfekte Situation für den Verräter um aktiv zu werden. Denn unpassende Karten im Stapel der Krise zählen negativ, was reichliche Optionen für vernichtende Schläge liefert. Und selbst wenn die Krise überstanden wurde, müssen nun noch alle Bewohner der Kolonie ernährt werden, zu viel Müll drückt auf die Stimmung und neue Zombies kommen obendrein.

Varianten
Bevor ich zum Fazit komme, noch ein kurzes Wort zum Verräter. Dieser ist nur in knapp ½ der Partien überhaupt dabei und kann, sobald er entlarvt wurde, aus der Kolonie verbannt werden. In diesem Falle bekommt er einen neuen Auftrag und hat keinen Zugriff mehr auf einige der Optionen (wie das beisteuern von Krisenkarten). Da das Spiel mit Verräter aber definitiv nicht jedermanns Geschmack ist, ist auch eine rein kooperative Variante enthalten. Dabei steigt der Schwierigkeitsgrad der Hauptaufgabe deutlich an, auf Zusatzmissionen für einzelne Gruppen wird verzichtet. Um diese Variante zu spielen sind nur kleinere Anpassungen notwendig (manche Karten müssen entfernt werden) um einen flüssigen Spielverlauf sicherzustellen.



Fazit
Winter der Toten ist ein spezielles Spiel. Es ist genau die Art von Spiel, die manche Gruppe liebt, die andere aber verteufelt. Denn selbst ohne Verräter muss man stets die eigenen Ziele im Auge behalten, die nicht selten im Gegensatz zum Wohle der Gruppe stehen. Dabei wird gelogen und betrogen, Spieler hintergangen oder absichtlich sabotiert. Die ständige Gratwanderung des eigenen Wohlergehens gegenüber dem Überleben der Gruppe macht einen großen Teil des Reizes aus.

Als etwas weniger reizvoll empfinde ich dabei tatsächlich die Rolle des Verräters selbst. Dessen Optionen unauffällig die Gruppe zu sabotieren sind sehr eingeschränkt. So fällt etwa das Sabotieren einer Krisenkarte sofort auf, auch wenn die Identität des Verräters dann noch nicht zwingend klar ist. Gerade in den ersten Partien spielt der Verräter dementsprechend lange unauffällig und versucht das Spiel mit einem großen Schlag siegreich zu beenden. Das kann für beide Seiten äußerst unerwartet und oft auch unbefriedigend sein und wurde in Battlestar Galactica besser gelöst.

Von einigen Mitspielern wurde auch die Unausgeglichenheit der Aufträge kritisiert. Einige davon sind tatsächlich sehr einfach, andere kaum zu bewältigen. Ich selbst empfinde das eher als thematisch, kann den Kritikpunkt aber durchaus verstehen. Gleiches trifft auf mancherlei Logiklücke zu. So kann etwa eine Hausfrau besser kämpfen als ein ausgebildeter Marine, Waffen helfen gegen Zombies aber nicht gegen andere Spieler und der Hund kann fleißig Gewehr, Taschenlampe oder Stadtplan benutzen. Über solche Logik-Fehler gingen wir meist mit einem Schmunzeln hinweg, schade sind sie aber dennoch.

Was bedeutet all das jetzt für Winter der Toten? Um es kurz zu machen: Für mich ist Winter der Toten trotz der Mängel ein richtig gutes Spiel. Die Spannung, die Intensität findet man selbst in diesem Genre nicht sehr oft. Dass die vollkooperative Variante ebenfalls einwandfrei funktioniert, ist obendrein ein dicker Bonus. 




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