Dienstag, 5. Mai 2015

Auf den Spuren von Marco Polo



Von der Masse abheben
Brettspielrezensionen gibt es ja inzwischen wie Sand am Meer. Videos, Podcasts, Geschriebenes… die Auswahl ist schier unendlich. Um sich hier etwas von der Masse abzuheben, sollte man auffallen. Etwa indem man ein Spiel, dass fast jeder zu lieben scheint, ordentlich zerreißt. Wenn dann ein Werk auf den Markt kommt, dass gleich 2 Jurymitglieder über den grünen Klee loben (Martin hier und Udo hier), ist das ja eigentlich eine Steilvorlage. Dumm nur, wenn das Spiel am Ende dann einfach nur richtig gut ist. Dann ist man eben doch wieder nur eine Stimme unter vielen.

Dabei ist „Auf den Spuren von Marco Polo“ (S. Luciani und D. Tascini / Hans im Glück) eigentlich in weiten Teilen ein Spiel wie viele andere. Würfel als Arbeiter, ein historisches Thema mit passender Optik und Siegpunkte für fast Alles. Was hier wirklich heraussticht sind die Details.


Würfel
Auf den ersten Blick bietet Marco Polo tatsächlich wenig Neues. In jeder Runde würfeln die Spieler ihre fünf Würfel, welche im Anschluss abwechselnd auf diversen Aktionsfeldern eingesetzt werden. Diese sind hinlänglich aus vergleichbaren Spielen bekannt. So können wir Waren, Geld und Kamele einsammeln, über den Plan reisen oder neue Aufträge annehmen. Wie lukrativ das Feld genau ist, bestimmt dabei die Augenzahl des Würfels. Damit sind hohe Würfelzahlen, gerade zu Beginn einer Runde, hilfreich. Das kann sich allerdings ändern, sobald alle interessanten Felder belegt sind. Denn bei Marco Polo dürfen Felder mehrfach verwendet werden. Jede Benutzung nach der ersten kostet allerdings Geld, wobei auch dessen Höhe von der Augenzahl abhängt. Benötige ich also dringend ein Kamel, kann dieses mit einer 6 schnell teuer werden. Apropos Kamele. Werde ich mit meinem Wurf partout nicht glücklich, kann ich die Tierchen zur Manipulation der Würfel einsetzen oder mir direkt einen zusätzlichen kaufen. Obendrein bekommt einen Ausgleich in Form von Geld oder Kamelen, wessen Wurf gar zu niedrig ausfällt. 


Punkte
Damit wäre zumindest schon einmal geklärt, was wir mit unseren Würfeln anstellen können. Bleibt noch die Frage, warum wir all die Strapazen auf uns nehmen. Und die Antwort dürfte wenig überraschen: Siegpunkte. Einen Großteil davon sammeln wir über Aufträge. Diese sind recht klassisch aufgebaut und liefern zumeist gegen Waren eine gewisse Summe an Punkten und gegebenenfalls Geld. Darüber hinaus bietet der Spielplan diverse weitere Aktionsfelder, von denen ebenfalls einige Siegpunkte versprechen. Dazu müssen wir die entsprechenden Städte allerdings zuerst besuchen und dort ein Handelshaus errichten. Abseits von zusätzlichen Aktionsfeldern lassen sich auf diesem Wege auch einmalige oder permanente Bonusausschüttungen (von Geld bis zu Waren) erhalten. Reisen wollen wir im Übrigen auch um die anfänglich erhaltenen Aufträge zu erfüllen, nach denen wir jeweils 2 bestimmte Städte besuchen müssen.

Variationen
Bislang erinnert Marco Polo noch weitestgehend an andere Worker-Placement Spiele. Was das Spiel wirklich von der Masse abhebt ist die enorme Variabilität. So werden etwa die Stadtaktionen sowie Boni der Städte in jeder Partie zufällig aus einem großen Fundus bestimmt. Dies sorgt für einen stets abweichenden Spielplan. Den entscheidenden Wiederspielreiz bieten allerdings die verschiedenen Charaktere. Von diesen bekommt jeder Spieler vorab Einen zugeteilt und damit eine besondere Fähigkeit. Und diese haben es in sich. So bekommt ein Charakter Waren wenn ein Mitspieler den Markt nutzt, andere suchen sich stets ihre Würfelergebnisse aus oder können deutlich schneller reisen. Damit geben die Charaktere bereits eine bestimmte Spielweise vor und jede davon fühlt sich deutlich anders an. 


Fazit
Marco Polo ist ein durchaus komplexes Mangelspiel, das die Spieler durchweg vor spannende Herausforderungen stellt. Im Optimalfall sollte man bereits früh wissen, was man im Spiel erreichen will. Damit richtet sich Marco Polo ganz klar an Strategen. Wenn mal wieder 1 Kamel oder 2 Geld für eine Aktion fehlen, kann bei Aus-dem-Bauch-Spielern schnell Frust aufkommen. Insbesondere, da die eigene Planung auch durch Mitspieler oder schlechte Würfelwürfe konterkariert werden kann. Wenn dann auch noch die Zeit knapp wird und 1 Würfel für das letzte Handelshaus fehlt, dann kommen echte Emotionen ins Spiel.

Während dieser permanente Druck, diese ständige Mangelverwaltung für manche Spieler vielleicht unangenehm sind, mag ich genau diese Art von Spiel sehr gerne. Bei Marco Polo zählt jede Entscheidung, jeder eingesetzte Würfel ist von Bedeutung. An einer Stelle ein Kamel zu verschwenden, kann sich Runden später rächen. Gleichzeitig gibt es immens viel zu erledigen, die Zeit dafür reicht allerdings Hinten und Vorne nicht. Wer sich hier vom Weg abbringen lässt, der hat schon verloren. Obendrein bieten Aufbau und Charaktere eine enorme Varianz, keine Partie verläuft wie die andere. Stets müssen wir zu Beginn aufs Neue entscheiden, welches Vorgehen diesmal das Richtige ist. Und ebenjenen Weg zu finden, stellt mich noch immer vor eine Herausforderung. Dass man dabei zusätzlich auf Fortunas Gnaden angewiesen ist, nehme ich gerne in Kauf. Insbesondere, da es durchaus einige Optionen gibt auf Würfelpech zu reagieren.

Zum Abschluss noch ein Wort zur Spielerzahl. Marco Polo funktioniert zu zweit ebenso gut wie zu viert, spielt sich aber doch deutlich anders. Da es nur sehr geringfügige Anpassungen gibt, ist die Konkurrenz um Aktionsfelder mit steigender Spielerzahl deutlich größer. Während man zu zweit häufig nebeneinander her spielt, herrscht zu viert ein ständiger Kampf um die besten Aktionen vor. Trotz der deutlichen Unterschiede gefällt Marco Polo in jeder Besetzung und gehört bislang zu meinen persönlichen Vielspieler-Highlights des Jahres.

Einen kreativen Einsatz von Würfeln findet ihr übrigens auch bei Bora Bora (hier) und Brügge (hieroder gleich hier die Erweiterung).


1 Kommentar:

  1. ein richtig geiles Spiel! die Minierweiterung macht das tolle Spiel noch toller! ein MUSS in jedem guten Spieleregal!!!

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